Einmal
urSPRUNG und zurück
Das
Jubiläumslager zum 100. Geburtstag der Pfadfinderbewegung
in Österreich ist Geschichte. Eine
Spaziergang-Reportage
durch das Austrian Jubilee Jamboree.
VON
MICHAEL HOLZMANN
Teilnehmer
aus aller Welt bei der Eröffnungsfeier: Belgien, Brasilien,
Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland,
Großbritannien und Nordirland, Hongkong, Irland, Island, Israel,
Italien, Luxemburg, Libyen, Mexiko, Niederlande, Österreich,
Palästina, Polen, Rumänien, Schweden, Schweiz, Spanien,
Sri Lanka, Tschechien, USA | Foto: PPÖ
Was
macht eigentlich den besonderen Reiz eines großen Pfadfinderlagers
aus?, überlege ich, während ich gedankenverloren
etwas abseits der Zeltstadt im Schlosspark Laxenburg den von prächtigen
alten Bäumen gesäumten Weg Richtung Altes Schloss
entlang schlendere. Ich habe soeben meine große urSPRUNG-2010-Runde
durch das Jubiläumslager zum 100. Geburtstag der Pfadfinderbewegung
in Österreich begonnen.
Vorbild
für die große Welt da draußen?
Bauen
wir hier für zehn Tage unsere eigene kleine Welt, in der
unsere Pfadfinderideale oberstes Gesetz sind? Sind wir damit Vorbild
für die große Welt da draußen? Oder
nur ein von den Mächtigen und Reichen belächeltes Experiment
einiger Träumer und Idealisten? Wie auch immer, hier auf
dem urSPRUNG 2010 leben Nationen friedlich Zelt an
Zelt, die draußen durch Mauern getrennt sind
und sich mit Waffengewalt bekriegen. Und mitten im Wald beim Grünen
Lusthaus bewohnen sogar im Wettstreit der Wahrheit stehende
Weltreligionen einträchtig ein gemeinsames Dorf.
Eine bunte Zeltstadt, soweit das Auge reicht ...
| Foto: PPÖ
Ich
gelange auf meinem Spaziergang zur Brücke mit den beiden steinernen
Löwen, die in der strahlenden Augustsonne besonders pflichtbewusst
wirken. 1961 haben sie an dieser Stelle den Haupteingang des Bundeslagers
der Pfadfinder Österreichs bewacht, diesmal stehen sie nur
bei einem Nebeneingang ins Reich der Guides und Späher. Den
Löwen wird's egal sein.
Ich
betrete das Guides/Späher-Unterlager mit dem etwas sperrigen
Namen East India Trading Company und werde von einem
aufgeweckten etwa 12-jährigen Buben mit lustigen Sommersprossen
mit einem freundlichen Hallo Paul begrüßt,
während er mir high-five-mäßig die Hand abklatscht.
Sehr freundlich, denke ich, obwohl ich nicht Paul
heiße. Als sich die Prozedur ungefähr 30 Mal mit allen
auf der Lagerstraße entgegenkommenden Kids wiederholt hat,
ist mir klar: Das ist ein für Pfadfinderlager typischer Insiderscherz,
der sich soeben wie ein Lauffeuer verbreitet.
Besuch
des Bundespräsidenten: Dr. Heinz Fischer ist begeistert ...
| Foto: PPÖ
Die
Buben und Mädchen links und rechts neben der Lagerstraße
zwischen den bunten Zelten unterschiedlichster Fabrikate sind bereits
eifrig mit den Vorbereitungen fürs Abendessen beschäftigt,
als ich nach meinem Spaziergang durch das Guides/Späher-Lager
den Laxenburger Kanal überquere und in der Ferne die große
Hauptbühne mit Krankamera und Videowand erspähe. Was
hat so etwas auf einem Pfadfinderlager verloren?, höre
ich in meiner Erinnerung deutlich die Stimme des älteren Pfadfinderleiters
während der Eröffnungsfeier: Wir sind doch auf keinem
Rockfestival! Ich weiß nicht, was du hast!
Den Kindern und Jugendlichen gefällt's und die Stimmung ist
doch erstklassig, entgegnet eine etwas jüngere weibliche
Erinnerungsstimme.
Stimmung bei den Großevents auf der Hauptbühne
|
Foto: PPÖ
Die
Diskussion in meinem Kopf wird durch einige schlammige Gestalten
beendet, die mir entgegenkommen. Sie haben soeben den Actionparcours
"PARKur" absolviert und tauschen begeistert ihre Erlebnisse
aus. Mein Hallo Paul ignorieren sie naserümpfend,
was kein Wunder ist. Caravelles und Explorer haben doch nichts
mit Guides/Späher-Kindereien zu tun. Das hätte ich eigentlich
wissen müssen, also wirklich!
Das
Wahrzeichen des Jubiläumslagers: Der urTurM | Foto: PPÖ
Hier
bei den bereits jugendlichen Pfadfinderinnen und Pfadfindern geht's
deutlich internationaler zu. Auf der Lagerstraße herrscht
ein buntes Sprachengewirr und ich nehme plötzlich bewusst wahr,
dass hier auf dem Austrian Jubilee Jamboree Teilnehmerinnen und
Teilnehmer aus 28 Nationen vertreten sind. Ein italienischer Bursche
erkennt mein Staff-Halstuch und fragt mich verzweifelt auf Englisch
um Rat. Sein Armband ist gerissen und er hat damit seine gesamte
urSPRUNG-Identität verloren. Ich schicke ihn zum Administrationscontainer
auf den Hauptplatz, was er mit einem gequälten Lächeln
quittiert. Entweder hat er mich nicht verstanden oder ihm ist der
Weg vom Unterlager Avalonia ins Lagerzentrum zu weit.
Auf der urGRÜNEN Bank ist immer etwas los ... | Foto: PPÖ
Ich
setze meinen Spaziergang, der sich aufgrund der Größe
des Lagers immer mehr zu einer Wanderung entwickelt, fort und
befinde mich nach einigen verwinkelten Kreuzungen auf dem ehemaligen
Campingplatz des Schlossparks im Stufenlager der Ranger und Rover.
Hier geht es im Vergleich zu den beiden jüngeren Alterstufen
sehr ruhig und beschaulich zu. Das bevorstehende Abendessen scheint
die 16- bis 20-Jährigen nicht sonderlich zu stressen. Zwei
Wiener Ranger unterhalten sich begeistert über den Ball,
der am Samstagabend im Schloss stattgefunden hat: Ist dein
Ballkleid auf dem Heimweg auch total gatschig geworden?
Prunkvoll: Ball der Ranger und Rover im Schloss
Laxenburg |
Foto: PPÖ
Ich
schaue auf die Uhr. Ich bin jetzt schon zwei Stunden unterwegs
und gehe relativ flott zum Gilde-Café auf den urSPRUNG-Hauptplatz.
Ich bestelle einen Eiskaffee und lausche gespannt dem Gespräch
auf dem Nachbartisch: Natürlich ist das ein Bundeslager!,
sagt die etwa 30-jährige Leiterin. Stimmt nicht!,
entgegnet ihr etwas jüngerer Gesprächspartner, während
er an seinem Kaffee nippt. Das letzte Bundeslager war das
b.open im Jahr 2001. Dieses Lager ist ein Jubiläumslager,
das die Landesverbände Niederösterreich und Wien gemeinsam
veranstalten. Und wann ist dann das nächste
Bundeslager? Das wird die Zukunft zeigen. 2011
wird sich wohl nicht mehr ausgehen und damit ist es mit der schönen
Reihenfolge alle zehn Jahre seit dem Jamboree 1951 vorbei!
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