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Die Pfadfinder und der Muttertag

Erfunden haben den Muttertag – wie so vieles – die Amerikaner. Nach Österreich gebracht hat ihn die große Frauenpolitikerin Marianne Hainisch. Doch auch die Pfadfinder trugen ihr Scherflein dazu bei.

VON MICHAEL HOLZMANN


Für die einen ist er ein Loblied auf die Familienidylle, für die anderen eine nette Kooperation von Faschisten und Floristen. Wie auch immer man dazu steht – am zweiten Sonntag im Mai ist es wieder einmal soweit. Der Muttertag
ist allgegenwärtig.

Wir äßen Fisch mit Honig
und Blumenkohl mit Zimt

Wie in so vielen Fällen haben uns auch diese Sache neben Coca Cola, McDonald's und Political Correctness die
Amerikaner eingebrockt. Nach Österreich brachte die bekannte Vorkämpferin der bürgerlichen Frauenbewegung Marianne Hainisch den neben dem Valentinstag wohl wesentlichsten Floristenfeiertag der Welt. Was nur wenige
wissen: Hainisch war Ehrenpräsidentin des Österreichischen Pfadfinderbundes.

Ursprünge im England
des 17. Jahrhunderts

Die Urprünge des Muttertages reichen ins England des 17. Jahrhunderts zurück. Dort wurde am vierten Fastensonntag jeden Jahres der "Mothering Sunday" begangen, an dem die Bevölkerung ihre Mutterkirche und bei dieser Gelegenheit auch gleich die Eltern aufsuchte. Von England aus wurde dieser Brauch in die USA überliefert, wo Ann Jarvis, die Tochter eines Methodistenpredigers, 1907 die Feier eines "Mother's day" propagierte. 1914 wurde der Muttertag auf Vorschlag von Präsident Wilson in den USA zum offiziellen Feiertag erklärt, der fortan jeweils am zweiten Sonntag im Mai gefeiert werden sollte.

Ein deutscher Blumenhändler
belebt sein Geschäft

Um 1920 kam der Muttertag nach Europa, wo sich in verschiedenen Ländern Persönlichkeiten fanden, die für seine Einführung warben. In Deutschland etwa unternahm ein gewisser Dr. Rudolf Knaur seit 1922 Vortragsreisen durchs Land, um für die Idee des Muttertags zu werben. Wie sich später herausstellen sollte, war es nicht unbedingt aufopfernde Mutterliebe, die ihn zu diesem Schritt bewog. Knaur war Geschäftsführer des "Verbandes Deutscher Blumengeschäftsinhaber".

Marianne Hainisch bringt
den Muttertag 1927 nach Österreich

Deutlich idealistischer beseelt war die österreichische Wegbereiterin der Muttertagsidee. Schon seit 1924 hatte sich die große Frauenpolitikerin Marianne Hainisch für die Abhaltung einer derartigen Feier eingesetzt – 1927 konnte sie schließlich ihre Wünsche auf höchster Ebene durchsetzen. Zur Einführung des Muttertages und der erstmaligen öffentlichen Feier in großem Rahmen sagte sie damals in einer Radioansprache:

"Wir leben in einer Zeit sittlichen Verfalls. Der Krieg hat, wie das immer der Fall war, die Gesellschaft zerfetzt. Wenn je,so braucht jetzt die Gesellschaft Erhebung aus der Versumpfung. Nun höre ich oft sagen: ,Ich bin den Eltern keinen Dank schuldig, denn sie haben mich nicht gefragt, ob ich geboren werden will' Da offenbart sich der Abgrund menschlicher Verwilderung. Offenbar sind die Eltern den Einflüssen des Zeitgeistes nicht gewachsen. Müssen wir da nicht freudig eine Einrichtung begrüßen, die geeignet ist, die Liebe zu pflegen und die Dankbarkeit anzuregen?"

Die Pfadfinder brachten
Hainisch auf die Idee

Bis es so weit kam, haben allerdings die Pfadfinder ihr Scherflein dazu beigetragen. Hanns Strouhal vom Institut für Pfadfindergeschichte liefert im Online-Kontakte-Gespräch kompetenten Aufschluss: "1923 hat Kara Barteis (Anm. legendärer Pfadfinderbündler) den Muttertagsgedanken von den USA und von Skandinavien aufgenommen. Er hat dabei anscheinend mit Frau Dr. Eugenie Schwarzwald kooperiert und ihr den Muttertag schmackhaft gemacht. Frau Dr. Schwarzwald (die Frau des Finanzministers) hat wieder Frau Hainisch dafür begeistert, und - so sehe ich das - die beiden waren eine gute Lobby dafür und haben versucht das nach Österreich zu übernehmen.

Jetzt wurden wieder die Pfadfinder aktiv und haben mitgeholfen, den Muttertagsgedanken zu verbreiten. So gab es am 9.5.1926 eine große Parade des Wiener Pfadfinderkorps auf der Ringstraße anlässlich des Muttertages. Der Umzug führte dann werbewirksam aufbereitet an Marianne Hainisch vorbei, Bundesfeldmeister Graf Wilczek gratuliert ihr und übergab ihr Blumen."

Hainisch war Ehrenpräsidentin
des Pfadfinderbundes

Auf Hainischs grundsätzliches Verhältnis zur Pfadfinderbewegung angesprochen, verrät Hanns Strouhal: "Sie war seit 1922 Ehrenpräsidentin des Österreichischen Pfadfinderbundes und hatte ein wirkliches Nahverhältnis zu
den Pfadfindern. Es gibt ein Foto von ihr, wo sie mit Pfadfindergruß an einer Parade teilnimmt. Sie sitzt am Rand der Straße und die Pfadfinder paradieren."

Wer war Marianne Hainisch?

Marianne Hainisch (1839 - 1936) gilt als Begründerin der österreichischen Frauenbewegung. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie und heiratete 18jährig einen Fabrikanten, mit dem sie zwei Kinder hatte. Als Mitglied des "Frauen-Erwerbsvereins" forderte sie als erste die Berechtigung der Frau zu jedem Beruf und verlangte 1870 in ihrer Schrift "Zur Frage des Frauenunterrichtes" die Einrichtung von Mädchenrealgymnasien und die
Zulassung von Frauen zum Studium.

1899 begründete sie den "Bund Österreichischer Frauenvereine", mit dem sie sich 1904 dem "International
Council of Women" anschloss und den sie bis 1924 leitete.

Im Herbst 1918 trat sie der Bürgerlich-Demokratischen Partei bei, elf Jahre später war sie Mitgründerin der Österreichischen Frauenpartei. Ihr Sohn Michael Hainisch war von 1920 bis 1928 österreichischer Bundespräsident.

Zusätzlich war sie während ihres 97jährigen Lebens in zahlreichen Vereinen engagiert, unter anderem als Vizepräsidentin des Österreichischen Roten Kreuzes und last but not least als Ehrenpräsidentin des Österreichischen Pfadfinderbundes.

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